Nuklearmedizin 2020; 59(02): 60-78
DOI: 10.1055/a-1119-0849
Original Article

Entwicklung eines Systems zur Risikoanalyse bei der Behandlung mit offenen radioaktiven Stoffen in der Nuklearmedizin

Development of a system for risk analysis in treatment with unsealed radioactive substances in nuclear medicine
Jörg Kotzerke
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
,
Patrick Fetzer
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
2   Oncoray – Nationales Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie, Technische Universität Dresden
,
Sabine Grosche-Schlee
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
,
Andreas Hanel
3   Zentralbereich Qualitäts- und Medizinisches Risikomanagement, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
,
Robert Freudenberg
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
,
Claudia Brogsitter
1   Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, Germany
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Zusammenfassung

Ziel Die neue Strahlenschutz-Gesetzgebung sieht vor, dass eine Risikoanalyse neuer und bestehender Behandlungsverfahren mit offenen Radionukliden hinsichtlich der Patientensicherheit wiederkehrend durchzuführen ist, in welche der Medizinphysik-Experte maßgeblich involviert ist.

Material und Methoden Als Werkzeug für die Durchführung der Risikoanalyse wurde die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) angewendet, wie vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und den Fachgesellschaften empfohlen. Für die Radiojodtherapie, die Radiosynoviorthese, die Peptid-Radiorezeptortherapie und die selektive interne Radiotherapie wurden die Prozesse gegliedert und zunächst individuell durch die verschiedenen am Prozess beteiligten Berufsgruppen und anschließend im Konsens kategorisiert. Für Risikoprioritätszahlen > 125 wurden Gegenmaßnahmen erarbeitet. Die Risikoprioritätszahl (RPZ) ergibt sich als Produkt aus dem Schweregrad, der Auftretenswahrscheinlichkeit und der Entdeckungswahrscheinlichkeit des Fehlers oder der Folgen.

Ergebnisse Neben den diversen Möglichkeiten der Verwechslung von Patienten wurden Unsicherheiten in der Aktivitäts- und Organgrößenbestimmung und eine mangelnde Compliance des Patienten als wesentliche Risiken für eine Unter- oder Übertherapie angesehen. Die ausgeprägte Streuung bei individueller Risikobetrachtung durch einzelne Berufsgruppen konnte unter Anleitung durch einen externen Moderator deutlich reduziert werden. Für die höchsten RPZ wurden Maßnahmen formuliert, deren präventive Wirkung im Verlauf noch zu überprüfen ist.

Schlussfolgerung Die nuklearmedizinische Therapie wurde in der organisatorischen Durchführung als sehr sicher eingeschätzt und es wurden nur geringe Risiken bzgl. der Patientensicherheit identifiziert. Die FMEA-Analyse war ein praktikables Instrument und identifizierte Prozessschritte mit Optimierungspotenzial für die analysierten Therapieformen. Das geschilderte Vorgehen kann in anderen nuklearmedizinischen Einrichtungen adaptiert werden, wobei strukturspezifische Faktoren (technische und personelle Ausstattung, Ablauf von Prozeduren) zu berücksichtigen sind, sodass ggf. weitere Risiken identifiziert und hier aufgeführte Risiken aufgrund anderer Abläufe als abweichend eingeschätzt werden können.

Abstract

Purpose With respect to the amendment of the Radiation Protection law it is required to estimate the risks of treatments with ionizing radiation regarding patient safety. This task is in the responsibility of a medical physics expert.

Material and methods The risks were estimated using the Failure Mode and Effects Analysis (FMEA) as suggested by the Federal Office for Radiation Protection (BfS) and the scientific societies. For Radioiodine Therapy, Radiosynoviorthesis, Peptide Receptor Radionuclide Therapy, and Selective Internal Radiation Therapy, respectively, the involved processes were analyzed, structured and scored. This was done both individually by all people involved in the process and by all participants together. For processes with risk priority numbers > 125 countermeasures were introduced. The risk priority number (RPZ) was calculated as the product of severity of the event, the probability of the occurrence of the event and the detection probability.

Results The greatest risks were mistaken identity, incorrect estimations of activity and organ masses and a lack of compliance of the patients. The individual risk estimation revealed a high variability between the different professions, that was reduced significantly by discussion led by an external moderator. For the highest RPZ countermeasures were formulated which impact needs to be reviewed in the future.

Conclusions Nuclear medical therapies were assessed as very safe, the revealed risks are very low in respect to patient safety. FMEA method was a useful tool to identify processes with potential for optimization. The chosen procedure can be easily adopted in other nuclear medicine facilities considering structure specific aspects like technical and personal equipment and procedures. Then further risks might be detected or the here identified risk might be assessed differently.



Publication History

Received: 19 December 2019

Accepted: 12 February 2020

Article published online:
03 March 2020

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